Frühindikatoren, die die wahrscheinliche Entwicklung der Konjunktur vorhersagen, waren immer schon interessant und viel beachtet. In solch unsicheren Zeiten, in denen sich die Welt derzeit bewegt, schauen Investoren noch gebannter auf diese Daten als zu früheren Zeiten. Nun haben einige Einkaufsmanagerindizes ihre fulminante Aufholjagd nach dem fürchterlichen Absturz während der Lockdown-Phasen unterbrochen und tendieren seitwärts bzw. etwas schwächer, aber immer noch auf Wachstumsniveau. Da Spanien sehr stark vom Tourismus abhängig ist und die neuerlichen Reisewarnungen inklusive Quarantäneauflagen nach Reiserückkehr eine nachhaltige Erholung der spanischen Wirtschaft vereiteln, verwundert es nicht, dass der jüngste Index-Wert wieder unter die Wachstums-Schwelle von 50 fiel, wenn mit 49,9 auch nur knapp. Diese schleppende Erholung lässt Zweifel an der erhofften V-förmigen Erholung in Europa aufkommen. Die europaweit steigenden Covid-19-Fallzahlen tun ihr Übriges und belasten die Stimmung. Da tut es gut, dass Bundeswirtschaftsminister Altmaier verkündet, dass die Rezession in 2020 mit nur -5,80 % anstelle der bisher erwarteten -6,30 % etwas weniger katastrophal ausfallen dürfte. Immerhin scheinen einige Branchen wieder auf gutem Wege zu sein. Der Einzelhandel hat sein Vor-Krisen-Niveau wieder erreicht, ungeachtet der Tatsache, dass die aktuellen Zahlen wieder eine leichte Abschwächung zeigen. Einige Echtzeitindikatoren wie Lastwagenverkehr oder Stromverbrauch deuten darauf hin, dass die Industrie ebenfalls kurz davor steht, wieder Normalniveau zu erreichen. Leider scheint sich die von dem Wirtschaftsmagazin „economist“ postulierte Theorie einer „90 %-Wirtschaft“ zu bestätigen. Denn in vielen anderen Branchen, wie z. B. Gastronomie, Event- und Kulturbereich, Reise- und Messeveranstalter ist noch keine Besserung in Sicht. Die dauerhaften Belastungen der Krise beginnen langsam durchzuschlagen. Dies verdeutlicht sich an der überraschend ins Negative gefallenen Inflationsrate im Euroraum (-0,20 % im August). Zwar sind dafür zunächst einige vorübergehende Sonderfaktoren verantwortlich, aber die Krise wirkt in der Summe deflationär. Dies dürfte die EZB vor neue Diskussionen stellen. Eine Fortdauer der expansiven Geldpolitik wird die Folge sein, was die Aktienmärkte zunächst stützen dürfte.
Bleibt die Frage, wie es um den Zustand der Weltwirtschaft bestellt ist. Viele Schwellenländer leiden stark unter der Covid-19-Pandemie, wie z. B. Indien, das einen BIP-Rückgang für das zweite Quartal von -23,90 % vermelden musste. Zwar sind nun auch dort Lockerungen der Einschränkungen geplant, diese werden jedoch durch anhaltend hohe Infektionszahlen erschwert.
In der größten Volkswirtschaft USA sind neben den immensen Belastungen aus der Covid-19-Pandemie weitere Belastungsfaktoren auszumachen. Zwar schwingt auch hier das Wirtschaftspendel aus dem Abgrund in Normalregionen zurück, aber der Präsidentschaftswahlkampf wirft seine Schatten voraus. Die nun zu Ende gehende Amtsperiode des US-Präsidenten hat die Spaltung der Gesellschaft deutlich vertieft. Die Unruhen von Kenosha, Portland und anderen Städten mit mehreren Toten geben einen Vorgeschmack darauf, was passieren würde, wenn der amtierende US-Präsident den Gedanken, mit dem er ständig kokettiert, in die Realität umsetzt und eine verlorene Wahl nicht anerkennen würde. Es vergeht kaum ein Tag, an dem der Präsident in seinem Bemühen, seine Stammklientel hinter sich zu versammeln, nicht einen neuen moralischen Tiefpunkt in seinem Wahlkampf markiert. Die teils bürgerkriegsähnlichen Zustände, die derzeit in vielen US-Städten herrschen, hat er mit seinen Aussagen befördert und schlachtet sie für seinen Wahlkampf aus. Indem er die Proteste als „Inlandsterrorismus“ bezeichnet, selbst den 17-jährigen Todesschützen von Kenosha, der sich mit einem Sturmgewehr (!) inmitten der Demonstration bewegte und letztlich zwei Menschen erschoss und eine Person schwer verletze, verteidigt, vertieft er den Graben in der amerikanischen Gesellschaft immer weiter. Für die US-Wirtschaft kann dies kaum als gutes Vorzeichen gedeutet werden. Denn anstatt sich kraftvoll um die immense Belastung aus der Covid-19-Pandemie mittels Innovation und gutem Wirtschaften zu kümmern, wird die amerikanische Gesellschaft noch lange Zeit damit beschäftigt sein, diese Gräben wieder zuzuschütten. Ein oder mehrere (sichere) Impfstoffe scheinen in Reichweite zu sein und sind wohl die Voraussetzung für eine langfristige Normalisierung der Weltwirtschaftslage.
Wie wichtig Impfen sein kann, verdeutlicht eine sehr positive Nachricht, die im Strudel der negativen Meldungen fast unterging. Nach jahrzehntelangen Impfprogrammen ist es gelungen, die Pocken auf dem afrikanischen Kontinent auszurotten. Jetzt muss dies nur noch in Afghanistan und Pakistan gelingen und schon ist einer Geißel der Menschheit der Garaus gemacht. Eine schöne Blaupause für das neuartige Covid-19-Virus. Es steht nur zu hoffen, dass sich hierzulande und weltweit ausreichend Menschen gegen das Virus impfen lassen, sobald Impfstoffe verfügbar sind, damit dies gelingen kann.