Die Marktmeinung aus Stuttgart

Murmeltiere im Anmarsch

Stuttgart, 24. November 2021 - von Michael Beck

Und jährlich grüßt das Murmeltier. Man traut seinen Augen kaum, aber das Covid-19-Murmeltier ist wieder lebendig und wohlauf. Alles steigt, die Preise für Energie und Gas, die Inflation, leider auch wieder die Inzidenzen auf bald 400 Covid-19-Infektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche und erstaunlicherweise auch die Aktienkurse. Ungeachtet des sich immer mehr eintrübenden Stimmungsklimas markierte der DAX in der letzten Woche nahezu täglich einen neuen Rekord. Trotz aller Warnungen, Hochrechnungen, Appellen der Wissenschaften und vieler vorauseilender internationaler Beispiele kulminiert die Covid-19-Pandemie zu einem neuen, für viele Menschen leider tödlichen Höhepunkt. Wieder ist von umfangreichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens die Rede, wieder werden kurz vor dem geplanten Start viele Weihnachtsmärkte abgesagt. Gekrönt wird dies durch die desaströse Kommunikation des einst sehr gut in die Pandemie gestarteten, nun aber aufgrund vieler Fehlentscheidungen stark kritisierten Bundesgesundheitsministers, der den Eindruck erweckt, er würde den beliebteren Biotech-Impfstoff rationieren, um die Verimpfung des bald seine Haltbarkeit überschreitenden Moderna-Impfstoffs zu befördern. In einer Phase, in der es auf jeden Tag ankommt, um die Impf- und Booster-Quote in Deutschland zu erhöhen, wird das Vertrauen der Bevölkerung dadurch arg strapaziert und die Chancen, das exponentielle Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen werden noch geringer. Auch wenn die Politik den Verzicht auf einen generellen Lockdown  immer wieder beteuert, wird dieser doch jeden Tag mit steigenden Infektionszahlen wahrscheinlicher. Noch scheint das nur auf die ungeimpfte Bevölkerung zuzukommen, doch wie lange kann die Politik die Situation auf den Intensivstationen noch ignorieren?

Dies hätte dann wieder einmal gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaft und dort vor allem auf die Gastronomie, den Handel und das Veranstaltungs- und Kulturwesen. Die an den Börsen gelisteten Unternehmen scheint dies noch nicht zu tangieren, betrachtet man die Kursverläufe der internationalen Aktienindizes. Einzig tagesaktuelle Rotationsbewegungen weg von zyklischen Unternehmen hin zu Pandemiegewinnern (z.B. Onlinehandel etc.) sind hin und wieder zu beobachten.

Die Resilienz der Aktienmärkte begründet sich in den guten Gewinnausweisen, die die meist international agierenden Unternehmen trotz der bekannten Belastungen durch hohe Erzeuger-, Energie- und Transportkosten sowie durch die andauernden Lieferengpässen erzielen konnten.

Die sehr gute Stimmung unter den Investoren scheint aber nun umzuschlagen. Gemäß neuester Analysen und Umfragen der Sentix GmbH zeigt der „Global Investor Survey“ eine deutliche Eintrübung der zuletzt euphorischen Stimmung. Dabei bewegen sich die Investoren zunächst im neutralen Bereich, um abzuwarten, ob die Gewitterwolken größer werden oder ob sie sich wie so oft wieder auflösen. Eine etwas höhere Cash-Position zur Abfederung etwaiger Kurseinbrüche, die zudem einen Einstieg in  dann günstiger gewordener Qualitätstitel ermöglicht, scheint angeraten.

Beim Dauerthema Inflation rechnet die Deutsche Bundesbank nun einer Rate in Höhe von knapp 6%. Immerhin erwartet sie im Januar aufgrund des wegfallenden Basiseffektes aus der Mehrwertsteuersenkung im Juli 2020 mit nachgebenden Inflationsraten für 2022. Aber nicht nur in Zentralbankkreisen reift die Erkenntnis, dass Faktoren, wie hohe Energie- und Rohstoffpreie, teure Transport-Kapazitäten, Lieferengpässe bei Halbleitern und Vorprodukten und letztendlich doch auch steigende Lohnkosten aufgrund des Personalmangels in vielen Sektoren der Wirtschaft inflationstreibend wirken können. Immerhin sind die Erzeugerpreise in Deutschland im Oktober im Vorjahresvergleich um 18,4% gestiegen, laut dem Statistischen Bundesamt der stärkste Anstieg seit November 1951. Nach wie vor besteht die Hoffnung, dass sich diese Entwicklungen im Laufe des Jahres 2022 beruhigen. Aber bis dahin gilt es, an den Finanzmärkten vorsichtig zu agieren.

Hinweise:

Die vorliegenden Informationen sind keine Finanzanalyse im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes und genügen nicht allen gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unvoreingenommenheit von Finanzanalysen und unterliegen nicht einem Verbot des Handels vor der Veröffentlichung von Finanzanalysen.