Die Marktmeinung aus Stuttgart

Zielkonflikte

Stuttgart, 16. Juni 2021 - von Michael Beck

Der Klimaschutz ist wahrlich in aller Munde und er spielt nicht nur im malerischen Setting von Cornwall beim G7-Gipfel eine gewichtige Rolle, sondern auch bei den Parteitagen der Grünen letztes Wochenende, dem Parteitag der Linkspartei nächstes Wochenende und bei der Veröffentlichung des CDU-Parteiprogrammes übernächstes Wochenende. Alle Klimaschutz-Vorhaben sind zweifellos wichtig, werden aber nicht nur Verhaltensänderungen bei den Menschen erfordern, sondern auch zu deutlich höheren Lebenshaltungs- und Energiekosten führen. Diese kurzfristigen Belastungen ihres Geldbeutels bewog wohl die Mehrheit der Schweizer, am Sonntag das neue geplante CO2-Gesetz per Volksabstimmung abzulehnen. Die mittel- bis langfristigen volkswirtschaftlichen und persönlichen Kosten dürften allerdings die kurzfristig dadurch gesparten Beträge bei weitem übersteigen. Es würde diesen Marktkommentar sprengen, alle Bereiche des privaten und wirtschaftlichen Lebens aufzuzählen, die von klimaschutzbezogenen Änderungen betroffen sein werden. Ein Beispiel verdeutlicht jedoch nur zu gut, wie schwierig das Unterfangen Klimaschutz werden könnte. Einer der weltweit renommiertesten Klimawandelexperten, Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, wies bereits vor längerer Zeit darauf hin, dass eine der schlechtesten Öko-Bilanzen von neugebauten Häusern ausgeht. Der CO2 Ausstoß bei der Produktion von Zement oder Stahl treibt die Ökobilanz eines Neubaus so weit ins Negative, dass dies in den folgenden Jahrzehnten auch durch effiziente Dämm- und Heizvorrichtungen kaum aufzuholen ist. Prof. Dr. Schellnhuber schlägt als Lösung vor, auf Holz als Baumaterial umzusteigen, um das im Holz gespeicherte CO2 dauerhaft dort zu binden (sinnvoll wäre es dabei natürlich, auf die heutzutage schicken Wohnzimmerkamine zu verzichten, denn dort wird das CO2 ja wieder freigesetzt). Und in der Tat werden bereits weltweit größere Projekte in Holzbauweise umgesetzt, so z.B. ein „Holz-Hochhaus“ in Hamburg. Die Hamburger Bauherren haben sich jedoch zum Glück die Holzpreise vorab gesichert, denn in der Zwischenzeit haben sich diese aufgrund der hohen weltweiten Nachfrage teils vervierfacht. Erste Preisberuhigungen in den USA lassen zwar hoffen, dass dies nur eine Übertreibung war, aber die Handwerkerzunft und Bauwirtschaft leidet bereits unter dem Holzmangel und den stark gestiegenen Preisen. Sollte dies Bestand haben, dürfte die an sich sinnvolle „Holzbau-Idee“ im Keim erstickt werden, weil die Kosten zu hoch werden. Einzig die über CO2-Bepreisung drastisch zu verteuernde Zement- und Beton-Herstellung könnte dafür sorgen, dass Holz trotz gestiegener Preise verwendet werden kann.

Das Ziel, breite Bevölkerungsschichten an Wohneigentum heranzuführen, dürfte unter diesen Rahmenbedingungen allerdings illusorisch bleiben. Und inwieweit das Ziel energetischer Maßnahmen im Bestandsimmobilienbereich mit dem Ziel eines bezahlbaren Mietniveaus vereinbar sein wird, dürfte eines der Bewährungsfelder einer neu gewählten Bundesregierung werden.

Eine weitere Tendenz in der Bauwirtschaft manifestiert sich in begrünten Gebäuden, die an den Außenfassaden und Dächern Wald- und Wiesen ähnliche Landschaften schaffen. Sowohl für das Auge und auch das für das Mikroklima in den Städten sind das mit Sicherheit sehr sinnvolle Ideen. Ein Beispiel dafür entsteht derzeit im Zentrum Stuttgarts, wo über einer denkmalgeschützten Einkaufspassage ein sehr großes Bürogebäude entsteht, das vollständig begrünt werden wird. Die Frage stellt sich, ob es zukünftig bei verstärktem Wassermangel in Dürre-Sommern und sinkenden Grundwasserspiegeln immer möglich sein wird, diese Bepflanzungen ausreichend mit Wasser zu versorgen. Und für wie viele solcher Gebäude in einer Stadt diese Wasserversorgung möglich sein wird.

Der G7-Gipfel in Cornwall beschwor immerhin die internationale Zusammenarbeit beim Thema Klimaschutz. Wie dies dauerhaft funktionieren soll, fragt sich der Beobachter insgeheim. China als einer der größten CO2-Emittenten muss ins Klima-Boot geholt werden, es werden jedoch insbesondere von den USA klare Abgrenzungen in Wirtschafts- und Militärfragen vorgenommen. Auch die hier eher auf Ausgleich bedachten Europäer unter Führung einer abwägenden Bundeskanzlerin werden zunehmend unter Entscheidungsdruck gesetzt, sich zu positionieren. Wie die Ziele wirtschaftlicher Prosperität mit China und den USA gleichermaßen zu fördern und die Verbesserung bzw. Wiederherstellung der guten transatlantischen Beziehungen in Einklang gebracht werden können, wird spannend zu beobachten sein. Die Bundeskanzlerin wird bei ihrem Juli-Besuch in den USA auch hinsichtlich der Nordstream-2-Pipeline und dem Umgang mit Russland Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Die Aktienmärkte fechten derlei Probleme nicht an. Selbst die sagenhaft hohen 5,0-%-Inflationsrate in den USA ließ die Investoren letzte Woche kalt, denn sie vertrauen voll darauf, dass diese hohen Inflationsraten nur vorübergehender Natur sind. Dabei mehren sich die Analystenstimmen, die aufgrund von diversen Knappheiten und einem anstehenden Wirtschaftsboom dauerhaft höhere Inflationsniveaus erwarten. Und so sehen sich Investoren einem der ältesten Zielkonflikte ausgesetzt. Dem von auskömmlicher Rendite und maßvollem Risiko, das mit Kapitalanlagen verbunden ist. Alle Assetklassen, die Inflationsschutz versprechen, wie z.B. Immobilien oder Aktien, sind bereits auf sehr hohe Niveaus gestiegen. Und keiner weiß, ob diese Kurse bzw. Preise weiter steigen werden. Bleibt man diesen Anlageklassen aber fern, schmälern die zukünftigen Inflationsraten das Vermögen heimlich, still und leise. Wie schnell Kurse und Preise aber auch mal wieder fallen können, haben Börsen oft bewiesen. Auch der aktuell sich stark ermäßigende Holzpreis in den USA zeigt, dass Börsen keine Einbahnstraßen sind. Wer große Teile seines Anlagevermögen aber noch auf negativzinsbedrohten Konten liegen hat, sollte Kursrückgänge an den Börsen oder relativ günstige Preise bei Sachwerten zum Einstieg nutzen, sofern das Kapital langfristig arbeiten kann.

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