Die Marktmeinung aus Stuttgart

Wie Sand am Meer

Stuttgart, 27. October 2021 - von Michael Beck

Es wäre schön, wenn es wieder Halbleiter, Baustoffe, Erdgas, Rohstoffe oder Vorprodukte sämtlicher Art wie Sand am Meer gäbe. Leider ist das nicht der Fall und wie sollte das denn auch sein, denn selbst „Sand“ gehört inzwischen zu den Rohstoffen, die weltweit knapp und immer teurer werden. Eine aktuelle Meldung der deutschen Industrie weist darauf hin, dass insbesondere Magnesium, welches für viele Industrie-Produktionsprozesse benötigt wird, immer schwieriger zu bekommen ist. Als weiteres Beispiel hat ein australisches Minenunternehmen mitgeteilt, dass infolge von Betriebsschließungen in Malaysia, die durch Covid-19-Infektionen verursacht wurden, signifikant weniger seltene Erden produziert und exportiert werden konnten. Diese werden insbesondere für Hochtechnologie und Elektromobilität benötigt, was zusätzliche Belastungen für die Produktion weltweit bedeutet. Dass die Sorgenfalten vieler Investoren angesichts steigender Covid-19-Zahlen tiefer werden, hat viel mit personellen Engpässen zu tun, was auch die Beispiele von zeitweise geschlossenen Häfen in China zeigen. Stark steigende Transportkosten und hohe Inflationsraten sind die direkte Folge. Zusätzlich belasten neue Lockdown-Maßnahmen, vor allem in Staaten mit niedrigen Impfquoten.

Aber auch in anderen Bereichen des Lebens schlägt das Knappheits-Phänomen zu. Laut dem statistischen Bundesamt werden nun selbst Nudeln aufgrund von Hartweizen-Missernten knapper. Zumindest wurden von Januar bis August immer noch 254.000 Tonnen, aber ca. 7,3% weniger Nudeln importiert. Ob die Fülle der Knappheitsmeldungen auch damit zu tun hat, um in so einem Umfeld Preisaufschläge leichter umsetzten zu können, wäre zumindest denkbar. Immerhin scheint es auch Güter zu geben, die zukünftig etwas reichhaltiger zur Verfügung stehen könnten. Die Edelmetalle Platin und Palladium, die stark im industriellen Bereich bei Abgas-Katalysatoren Verwendung finden, könnten im Zuge der Transformation hin zur E-Mobilität an Bedeutung verlieren. Diese Transformation ist aus Sicht der Politik ein wichtiger Baustein im Kampfes gegen den Klimawandel. Von dem Treibhausgas CO2 gibt es leider so viel, wie früher sprichwörtlich Sand am Meer vorhanden war.

Gemäß einem Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hat die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre im Jahr 2020 neue Höchstwerte erreicht. Der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr ist trotz der Covid-19-Pandemie höher ausgefallen, als die durchschnittliche Zunahme in den vergangenen zehn Jahren. Viel Stoff also zur Diskussion bei der in wenigen Tagen anstehenden UN-Klimakonferenz in Schottland.

Auch Impfstoff gegen das Covid-19-Virus gibt es inzwischen wie Sand am Meer, nur an Impfwilligen mangelt es zusehends, wie auch prominente Beispiele in der Bundesliga demonstrieren. Der Druck auf Ungeimpfte dürfte jedoch steigen, wie die Androhung Österreichs aufzeigt, im Falle zu starker Inanspruchnahme der Intensivstationen und des Gesundheitssystems zu harten Lockdown-Maßnahmen zu greifen, die nur für Ungeimpfte gelten werden. Ein Grund für dieses Ansinnen dürfte auch darin liegen, dass sich der wirtschaftliche Aufschwung mehr als deutlich abschwächt. Der IFO-Geschäftsklimaindex sank in Deutschland bereits das vierte Mal in Folge und die Einkaufsmanagerindizes befinden sich in Europa nur noch knapp über der 50-Punkte-Marke, was insgesamt auf eine deutliche Abschwächung der Wirtschaftsleistung im vierten Quartal hindeutet. Dies bedeutet, dass das gefürchtete Stagflationsgespenst (niedriges bzw. Nullwachstum bei gleichzeitig hohen Inflationsraten) im vierten Quartal in Deutschland Realität werden wird. Da jedoch das Wachstum in 2022 anziehen und sich die Inflationsraten von ihren hohen Niveaus ermäßigen dürften, wird es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein vorübergehendes und kurzes Stagflations-Phänomen handeln. Positive Anzeichen kommen schon aus der Weltkonjunktur, wo die Einkaufsmanagerindizes in den USA, Japan und Großbritannien gestiegen sind und andeuten, dass die Konjunkturen dort jeweils mit Schwung in das vierte Quartal gestartet sind. Wie so oft gleichen sich die Positiv- und Negativfaktoren für Finanzinvestoren in etwa aus, was die ausgeprägte Seitwärtstendenz der Märkte erklärt. Vor dem Hintergrund, dass die US-Zentralbank Fed im November den Einstieg ins Tapering, d.h. auf den Pfad der etwas restriktiveren Geldpolitik, Anfang November verkünden dürfte, scheint das Aufwärtspotential der Aktienmärkte begrenzt. Die Seitwärtstendenz dürfte daher bis zum Jahresende anhalten.

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