Die Marktmeinung aus Stuttgart

Viele Eier in einem Korb

Stuttgart, 06. April 2021 - von Michael Beck

Nun war es doch nicht das ganz ruhige Ostern, das sich die deutsche Bundeskanzlerin gewünscht hat, aber das kalte Wetter half mit, es doch einigermaßen ruhig zu gestalten. Immerhin die Kinder konnten kaum Unterschiede feststellen, denn bei bestem Sonnenschein wurde die Suche nach Ostereiern und Geschenken für die meisten zu einem schönen Ereignis. Die Oster-Körbe füllten sich schnell. Ebenso wie die Investoren-Osterkörbe, die sich über die hiesigen Osterfeiertage auf internationaler Ebene auch weiter füllen konnten. Der S&P 500-Index sprang (mal wieder) auf ein neues Rekordhoch und überstieg zum ersten Mal in seiner Geschichte mit 4.077 Punkten deutlich die 4.000er-Marke. Der japanische N225-Index eroberte aufgrund guter Tankan-Stimmungsdaten die 30.000er-Marke zurück und auch sonst gab es wenig Anlass, die Stimmung unter den Investoren zu trüben. Die Arbeitsmarktzahlen in den USA überraschten positiv und das angekündigte Billionen-Infrastrukturpaket des US-Präsidenten Biden verleiht den Finanzmärkten zusätzliche Flügel. Zudem erreichen viele Einkaufsmanagerindizes immer bessere Werte, weil sehr stark auf die Erholungskraft der Wirtschaft nach erfolgreichen Impfkampagnen gesetzt wird. Dies gilt auch für Deutschland, obwohl die Impfkampagne hier nur schleppend vorankommt. Zumindest für die Industrie erreichte der Einkaufsmanagerindex kurz vor Ostern mit 66,6 Punkten (IHS Markit), einen Rekordwert in der 25-jährigen Geschichte dieses Index. Auch im Euro-Raum stieg dieser Wert mit 62,5-Punkten auf ein 24-Jahres-Hoch. Aktieninvestoren versetzen diese Daten in Höchststimmung. Vergessen sind die Lieferengpässe durch die Suez-Kanal-Blockade ebenso wie die andauernden Lockdown-Beschränkungen, die eben für Frankreich erneuert und nun auch wieder für Deutschland diskutiert werden. Und dies erstaunlicherweise auch vom designierten Unions-Kanzlerkandidaten Laschet, der vor Ostern noch umfangreiche Lockerungen vertreten hatte. Mit diesem Hin und Her dürfte er allerdings die Chancen auf seine Kanzlerkandidatur geschmälert haben, denn die fehlende Stringenz im Umgang mit der Pandemie kostet Vertrauen und damit Wählerstimmen. Ein fatales Zeichen sendet auch die Tolerierung der massiven Verstöße und Gewalttätigkeiten während der Querdenker-Demonstration am Ostersamstag in Stuttgart und der riskante Öffnungskurs des saarländischen Ministerpräsidenten Hans. Die breite Akzeptanz der Bevölkerung für einen „letzten“ harten Lockdown dürfte damit verspielt sein. Die dritte Welle wird deshalb weiter hochlaufen und die wirtschaftliche Erholung weiter verzögern.

Mit einer höheren Impfquote in Deutschland und Europa dürfte erst im (Spät-)Sommer zu rechnen sein. Ab dann sind weitreichendere Öffnungen vieler Bereiche wie der Gastronomie und der Kultur-, Touristik- und Messebereiche wieder möglich.

Dennoch wird die Luft an den Aktienmärkten dünner. Erste Gewinnmitnahmen an den asiatischen Märkten deuten darauf hin. Sollten sich die guten Wirtschaftsvorzeichen bewahrheiten, dürften Inflations- und Zinsanstiegserwartungen wieder vermehrt auf der Tagesordnung stehen. Aufgrund der Konjunkturzuversicht für das zweite Halbjahr einerseits und den kurzfristigen Pandemie-Belastungen andererseits sehen wir im Moment eher eine Seitwärtstendenz der Aktienmärkte. Für eine Fortsetzung der Rekordrally sind jedenfalls deutlichere Fortschritte bei den Impfkampagnen und weitreichende, dauerhafte Öffnungen der geschlossenen Wirtschaftsbereiche nötig. Die Oster-Nester sind zwar wohlgefüllt, es muss aber einiges dafür getan werden, das die Eier nicht zu Bruch gehen. Eine etwas höhere Cash-Quote und eine defensivere Ausrichtung der Anlagestrategie könnten hierbei helfen.

Hinweise:

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