Die Marktmeinung aus Stuttgart

Silbertreifen am Horizont

Stuttgart, 15. April 2020 - von Michael Beck

„Lockerung“ ist das Wort der Stunde. Mit der Ankündigung letzter Woche, in Österreich aufgrund sinkender Ansteckungszahlen in Kürze mit Lockerungen des strikten persönlichen und wirtschaftlichen Shutdowns zu starten, setzte an den europäischen Aktienmärkten endgültig eine Erholung ein, die selbst altgediente Börsianer überraschte. Nun ist Österreich vom Verlauf der Pandemie zwei bis drei Wochen vor Deutschland, so wie sich die USA mindestens weitere zwei bis drei Wochen hinter Europa in der Pandemie-Entwicklung befinden. So verwundert es nicht, dass nun auch in Deutschland die Diskussionen um das schrittweise Öffnen einzelner Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft beginnen. Und dies ist auch sinnvoll, denn eine Vielzahl von Geschäften kann die Auflagen, die für eine Öffnung Voraussetzung sein werden, ohne weiteres erfüllen. Warum Gartencenter und Baumärkte geöffnet sein dürfen, der Blumenladen um die Ecke, bei dem schon zu Normalzeiten selten mehr als zwei Personen gleichzeitig unterwegs sind, geschlossen sein muss, erschließt sich dem neutralen Betrachter nicht sofort. Selbstverständlich werden diese Lockerungen nur mit Auflagen wie Maskenschutz, Zugangsbeschränkungen etc. realisierbar bleiben, will man nicht riskieren, dass die Ansteckungszahlen wieder sprunghaft steigen. Im Falle von Restaurants und Cafés ist dies zwar durch Auseinanderrücken der Tische gut umsetzbar, es stellt sich aber die Frage, ob der dadurch geminderte Umsatz diese Restaurants den Sommer und Herbst überleben lässt. Zunächst jedoch verbreitet die Aussicht auf Lockerungen Zuversicht, die üppigen Stützungsprogramme der Zentralbanken und Staaten beruhigen die Lage zudem. Dennoch wäre es vermessen, davon auszugehen, dass die Krise schon teilweise hinter uns liegt. Solange keine geprüften und nachhaltig wirksamen Medikamente für die schwersten Fälle der Covid-19-Infektion vorhanden sind, um die hohen Todesfallraten zu senken, und kein geprüfter Impfstoff vorliegt, der in kurzer Zeit großen Bevölkerungsgruppen verabreicht werden kann, werden die massiven Beeinträchtigungen des persönlichen und wirtschaftlichen Lebens anhalten. Immerhin sind derzeit ca. 70 Impfstoffe weltweit in der Entwicklung, der erste wird bereits an Menschen getestet.

Wenn dies erfolgreich ist, werden letztendlich auch die negativen Auswirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung nachlassen. Der Internationale Währungsfonds revidierte sein Wachstumsziel der Weltwirtschaft von +3,30 % Anfang Januar auf nunmehr –3 %. So etwas gab es noch nie, zumal es noch weitere Abwärtsrisiken gibt, falls die Pandemie im Herbst nicht nachlässt oder eine zweite Welle entsteht. Zunächst jedoch sind harte Zahlen entscheidend und hier zeigt China relative Stärke. Als erstes Land, das einen monatelangen Shutdown verkraften musste, ist die Wirtschaft nahezu wieder hochgefahren und die jüngsten Einkaufsmanagerindex- und Wirtschaftsdaten zeigen ermutigende Tendenzen. Diese müssen jedoch im zweiten Quartal bestätigt werden. Gelingt es Europa und dann auch den USA, diesem Weg zu folgen und die Pandemie weitgehend in den Griff zu bekommen, könnte sich der Silberstreif am Horizont zu einem aufgehellten Himmel ausbreiten.

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