Die Korrektur an den Aktienmärkten dauerte mal wieder nur 3 Tage und währte nur wenige Prozent abwärts von den bisherigen Rekordständen der Indizes. Auslöser waren Inflationsdaten aus den USA, die eine wesentlich stärker als befürchtet steigende Inflation auswies. Eine April-Steigerung von +4,20% im Jahresvergleich zum April 2020 wirkte an den internationalen Finanzmärkten wie ein Paukenschlag. Die boomende US-Wirtschaft befeuert diese Inflationserwartungen, was sich auch an „harten“ Preisdaten ablesen lässt. Die Einfuhrpreise in den USA stiegen im April um +0,70% zum Vormonat und geschlagene +10,6% zum Vorjahresmonat. Dies sind die höchsten Jahresraten seit Oktober 2011. Auch in Deutschland und Europa sind steigende Inflationsraten zu verzeichnen, was viele Aktieninvestoren stark irritiert. Denn im Zuge der voranschreitenden Inflationsraten sind auch die Renditen langlaufender Staatsanleihen gestiegen. Dies hat direkten Einfluss auf die aktuell recht hohen Bewertungen der Aktienmärkte. Allerdings stellte sich die negative Reaktion vieler Aktieninvestoren auf diese Preisentwicklungen erneut als Sturm im Wasserglas heraus. Denn nicht nur die US-Notenbank Fed, sondern auch die Mehrzahl der Analysten verweisen darauf, dass die hohen Inflationsraten ein eher vorübergehendes Phänomen darstellen. Sie argumentieren vor allem mit massiven Basiseffekten, die vor einem Jahr durch den Start der Covid-19-Pandemie zu abstürzenden Preisen führte. Jüngste Wirtschaftsdaten aus den USA trugen ebenfalls zur Beruhigung bei, denn sowohl die Einzelhandels- und Arbeitsmarktdaten wie auch das Verbrauchervertrauen enttäuschten etwas und relativierten die Angst vor einer sich überhitzenden US-Konjunktur.
Der Inflationsdruck wird jedoch mindestens bis zum Jahresende anhalten, da nicht nur die Basiseffekte solange wirken, sondern auch die zweite Jahreshälfte in Deutschland und Europa von einer starken Wirtschaftserholung und steigenden Arbeitskosten geprägt sein dürfte. Die Impfkampagnen nehmen endlich richtig Fahrt auf und die dadurch ermöglichten Lockerungen und Öffnungen vieler seit Monaten geschlossener Wirtschaftsbereiche werden dazu beitragen, den durch die Lockdown-Beschränkungen hervorgerufenen Konsumstau zu lösen. Schätzungen zufolge wurden allein in 2020 ca. 385 Mrd. Euro nicht ausgegeben und liegen nun auf Kontokorrentkonten. Ein guter Teil davon dürfte recht schnell in den Wirtschaftskreislauf fließen, sobald die Möglichkeiten wieder gegeben sind. Diese rege Konsumtätigkeit und starke Wirtschaftserholung könnte den Inflationsdruck noch etwas verlängern. Die entscheidende Frage wird aber sein, ob die „alten“ geldtheoretischen Regeln noch greifen, nach denen die überbordende Geldversorgung der Märkte mehr oder weniger automatisch zu inflationären Tendenzen führt.
Dieser Zusammenhang konnten in den letzten Jahren zumindest nicht festgestellt werden. Entscheidender wird wohl sein, wie sich die Knappheitspreise im Rohstoff- oder Halbleiterbereich, bei Lebenshaltungskosten wie Nahrungsmittel und Mieten oder Arbeitskosten entwickeln werden. Bei der monetären Inflation konnte bislang der Deckel auf dem Inflationstopf gehalten werden, allerdings wich der Druck aus dem Kessel bereits in andere Bereiche aus. Vermögenspreise sind seit Jahren im Steigen begriffen. Realwerte wie Immobilien, Edelmetalle, Aktien oder Kunst kennen scheinbar nur noch eine Richtung – nach oben.
Dabei muss jedoch in der Werthaltigkeit der Anlagen unterschieden werden. Die stärksten Preissteigerungen wurden in der letzten Zeit bei Kryptowährungen oder neuartigen SPAC-Vehikeln (Börsenemissionsinstrumente) verzeichnet. Die bekannteste Kryptowährung Bitcoin erreichte beinahe täglich neue Rekordstände. Befeuert von Trendsettern, wie dem US-Millardär Elon Musk, der Bitcoins als Zahlungsmittel für seine E-Autos akzeptierte, verteuerte sich dieses virtuelle Währung immer mehr. Für Aufregung sorgte nun die plötzliche und für einen Technologieführer erstaunlich späte Erkenntnis Musks, dass Bitcoins nur mit hohem Stromverbrauch und Rechnerleistung „produziert“ werden und er deshalb wieder Abstand davon nehmen möchte. Dies führte umgehend zu einem starken Einbruch des Bitcoin-Preises. So wird schnell deutlich, dass diesen Kryptowährungen eigentlich keine werthaltige Unterlegung zugrunde liegt, sondern der ihnen zugemessene Wert nur auf der Übereinkunft von Internet-Usern beruht. Der Durchbruch dieser Zahlungsmittel dürfte erst dann eintreten, wenn es offizielle digitale Währungen von Zentralbanken geben wird.
Die Frage ist nun, wie die Zentralbanken auf die steigenden Inflationsraten reagieren werden. Jede Äußerung eines Zentralbankrats- oder Direktoriumsmitgliedes wird mit Argusaugen betrachtet und auf mögliche Hinweise einer geldpolitischen Änderung hin zu einer restriktiveren Gangart untersucht. Da die US-Notenbank Fed bereits angekündigt hat, zwischenzeitlich höhere Inflationsraten zu tolerieren und die EZB dies für Europa ebenfalls vorhat, dürfte dieses Jahr wenig passieren. Sollten die Volkswirtschaften nach der Bewältigung der Covid-19—Pandemie in ihre starke Wachstumsspur zurückkehren, dürften in 2022 in einem ersten Schritt die immensen Anleihenkaufprogramme der Zentralbanken zurückgefahren werden. Eigentlich ein Umstand, der Aktienmärkte verunsichern und belasten könnte. Da jedoch die Unternehmensgewinne infolge der boomenden Wirtschaft trotz Margenbelastungen aufgrund steigender Rohstoff- und Halbleiterpreise stark steigen dürften, werden die negativen Auswirkungen begrenzt bleiben. So wird es vor allem auf die transparente und rechtzeitige Kommunikation der Zentralbanken und Vorbereitung der Finanzmärkte auf den anstehenden Politikwechsel ankommen.