Die Marktmeinung aus Stuttgart

Neue DAX-Welten

Stuttgart, 21. September 2021 - von Michael Beck

Der erste Handelstag des neuen, um zehn Aktientitel erweiterten „40er-DAX“ mündete in einen veritablen Fehlstart. Knapp 2,3% verlor das deutsche Börsenbarometer nach zwischenzeitlichen Verlusten nahe an die -4%. Dies verursachten aber nicht nur die neu aufgenommenen Titel wie Zalando (-5,08%) oder Porsche (-4,14%), sondern auch einige „alte“ Dax-Titel wie z.B. Siemens (-5,04), VW (-4,58%) und als Schlusslicht der Deutschen Bank (-7,65%) sorgten für diesen Kurseinbruch. Der Grund für diesen Kursrückgang lag jedoch nicht in der Neuordnung des deutschen Leitindex begründet, sondern in der sich zuspitzenden Schieflage des mit knapp 305 Mrd. USD verschuldeten chinesischen Immobilien-Projektentwicklers Evergrande, die den Hongkonger Index „Hang Seng“ mit -3,3% und damit die meisten Aktienindizes weltweit auf Talfahrt schickte. Der neue Dax mit nunmehr 40 Titeln soll die deutsche Wirtschaft in der Breite mehr abbilden und über rigidere Regeln stabilere Unternehmen listen. Dafür sollen auch „neue“ Unternehmen wie der Online-Händler Zalando oder Hello-Fresh sorgen. Allerdings sorgt u.a. ein „altes“ Unternehmen (Airbus) dafür, dass die neuerdings immer wichtiger werdenden ESG-Kriterien im neuen DAX sowohl im Umwelt-, als auch im Governance- und Sozial-Bereich weniger Berücksichtigung finden. Gemäß einer Studie der Fondsgesellschaft BayernInvest sinkt jedoch der CO2-Ausstoß bei einem Investment von 1.000 € von 150 kg CO2 auf 111 kg CO2-Ausstoß. Immerhin könnte das ein Grund sein, Kapitalströme, die vermehrt nachhaltig orientierte Investments wandern, nun auch in den DAX zu lenken. Dies könnte mittelfristig dazu führen, dass auch hierzulande die Kurse vom Nachhaltigkeits-Boom profitieren und weiter steigen könnten. Kurzfristig scheinen die Aktienkurse jedoch unter Druck zu geraten.

Denn die steigenden Inflationsdaten senden aktuell noch keine Entspannungszeichen, was die Angst vor einer schnellen Kehrtwende der US-amerikanischen Notenbank Fed schürt. Dabei sorgten letzte Woche noch schlechte Wirtschafts-Nachrichten dafür, dass die Aktienkurse stiegen. Denn diese schlechten Nachrichten schürten die Hoffnung, dass eine sich abschwächende Konjunktur den Druck auf die Zentralbank Fed reduzieren würde, auf die hohen Inflationsraten zu reagieren. Und somit für weiterhin dauerhaft geöffnete Geld-Füllhörner der Zentralbanken sorgt. So geschehen letzten Donnerstag, als in den USA entgegen allen Erwartungen die Erstanträge für die Arbeitslosenversicherung anstiegen. Eigentlich war erwartet worden, dass aufgrund des Auslaufens von Unterstützungszahlungen mehr Menschen wieder eine Arbeitsstelle annehmen wollen. Auswahl hätten sie genug, denn mehr als 10,9 Mio. Stellen sind in den USA derzeit unbesetzt – ein Rekord. Das Hauptproblem der nächsten Wochen dürfte in den USA jedoch im politischen Streit um die Erhöhung der maximal zulässigen Schuldengrenze liegen. Sollte die republikanische Partei weiter bei Ihrer Verweigerungshaltung in diesem Punkt bleiben, droht ein erneuter Shutdown der US-Verwaltungstätigkeiten und Probleme mit der Bedienung ihrer Verpflichtungen. Die ehemalige Fed-Chefin und Finanzministerin Yellen sieht für diesen Fall bereits eine „historische Finanzkrise“ am Horizont heraufziehen. Dies kann noch als Drohkulisse verstanden werden, um die Republikaner zum Einlenken zu bringen, wohingegen der akut drohende Zahlungsausfall von Anleihen des chinesischen Immobilienentwickler Evergrande eher zu Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten führen könnte. Erste Auswirkungen haben sich an den Aktienmärkten gezeigt, die wie oben beschrieben, am Montag aus diesem Grunde kräftig Federn haben lassen müssen. Das ausstehende Volumen der international begebenen Evergrande –Anleihen dürfte jedoch nicht ausreichen, um eine Finanzkrise auszulösen. Gefährlich sind die Ansteckungseffekte, die aufgrund der offenkundigen Entscheidung der chinesischen Regierung, seinen Spekulanten nicht mehr bedingungslos „Bail-Outs“ anzubieten, auf andere hoch finanzierte Immobilienunternehmen und Unternehmen anderer Branchen drohen. Letztendlich wird China auch ein Interesse daran haben, die Auswirkungen einer solch großen Unternehmenspleite, wenn sie denn eintritt, gering zu halten. Im Insolvenzfall ist daher eine kontrollierte Abwicklung des Unternehmens wahrscheinlich, zumal es auch über werthaltige Assets, die veräußert werden können, verfügt.

Für Investoren, die lange gewartet haben, um erste Positionen aufzubauen, könnte nun die Stunde gekommen sein. Da investierte Anleger eher geneigt sein könnten, Gewinne mitzunehmen und zu sichern, könnten die Kurse in den nächste Wochen unter der unsicheren Situation leiden. Mittel- und langfristig spricht jedoch sehr viel für eine Aktienanlage. Kursrückgänge können daher genutzt werden, um ein langfristig orientiertes Aktien-Portfolio aufzubauen. Dies sollte jedoch unbedingt in diversifizierter Form innerhalb einer weltweit ausgerichteten Strategie und sowohl in länder- als auch themenbasierter Form geschehen.

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