Im Jahre 1995 startete die Privatbank „Bankhaus Ellwanger Geiger AG“ einen Aktienindex, der mit 39 Aktienwerten sämtliche in Deutschland an den Börsen gelistete Unternehmen enthielt, die hauptsächlich im Immobiliengeschäft tätig waren. Für diese Unternehmen führte die Privatbank den Begriff „Immobilienaktien“ ein und gestaltete somit den ersten und bisher einzigen deutschen Immobilienaktien-Index. Mit insgesamt 39 Immobilienunternehmen startete der Index, der auf eine Marktkapitalisierung von umgerechnet 3,9 Mrd. Euro kam und auf den Namen „E&G-DIMAX“ getauft wurde. Knapp 25 Jahre später hat es der DIMAX geschafft – letzte Woche durchbrach er die Marke von 100 Mrd. Euro Marktkapitalisierung. Die damals bis 1989 zurückgerechnete Zeitreihe kann nun auf über 31 Jahre zurückblicken und weist per Ende 2019 eine jährliche Rendite von 7,37 % aus. Da der E&G-DIMAX“ analog zum DAX als Performance-Index konstruiert wurde, sind in dieser Zahl alle Dividenden und Kapitalmaßnahmen (Bezugsrechte) enthalten.
Lange Jahre fristeten die Immobilienaktien in Deutschland ein Mauerblümchendasein, anders als z. B. in Großbritannien oder den USA, wo diese Branche schon seit längerem mit großen Titeln und einem breiten Markt vertreten war. Aber auch im angelsächsischen Raum dauerte es bis 2016, bis den Immobilienaktien im S&P/MSCI-Index-Universum eine eigenständige (elfte) Branche zuerkannt wurde.
Erst mit den großen Börsengängen der letzten Jahre, bei denen große Wohn- und Gewerbeimmobilienkonzerne das Börsenparkett betraten, wuchs die Marktkapitalisierung der Immobilienunternehmen und damit des „E&G-DIMAX“ stark an. Der größte Wert im E&G-DIMAX ist der Wohnimmobilienkonzern Vonovia SE, der es vor einigen Jahren in den deutschen Leitindex DAX schaffte, gefolgt von der Deutsche Wohnen AG, was ein Schlaglicht auf die rasante Entwicklung dieser Unternehmen wirft. Nun erfolgte der nächste Quantensprung. Die Vonovia SE schaffte den Sprung in den wichtigen europäischen Euro-Stoxx-50-Index. Damit steigt das Interesse an Immobiliengesellschaften auch hierzulande. Die indirekte Immobilienanlage war in Deutschland jahrzehntelang von geschlossenen und vor allem offenen Immobilienfonds dominiert. Die große Krise bei den offenen Immobilienfonds, die manch konservativ orientiertem Anleger große Verluste beschert hat, und die großen Vorteile von Immobilienaktien hinsichtlich der größeren Fungibilität (Handelbarkeit) im Vergleich zu geschlossenen Immobilienfonds, die selten über einen liquiden Zweitmarkt verfügen, ließen die Assetklasse „Immobilienaktien“ nun aufschließen. Insbesondere die Wohnimmobiliengesellschaften profitierten in den letzten Jahren vom historisch niedrigen Zinsniveau, welches die Finanzierungskosten Jahr um Jahr verringerte und über die Vermögenspreisinflation zu Wertsteigerungen bei den Immobilien im Bestand führte. Angesichts dieser Preissteigerungen und steigernder Mieten vor allem in Ballungsräumen mit Wohnungsnot schlägt den Immobilienaktiengesellschaften Unmut entgegen. Bis hin zu Enteignungsdrohungen, beispielsweise in Berlin. Dabei waren es vor rund 20 Jahren viele Kommunen, die sich angesichts klammer Kassen sehr gerne von ihren im Unterhalt und in der Instandhaltung sehr teuren und damals kaum finanzierbaren Wohnungsbeständen trennen mussten und wollten. Leider wurde das in 2007 verabschiedete REIT-Gesetz (Real Estate Investments Trusts) so verstümmelt, dass Wohnimmobilien außen vor blieben. REITS sind Gesellschaftsformen, die sich international durchgesetzt haben und aufgrund spezieller Regeln ca. 90 % ihrer Gewinne in der Immobilienbranche an Anleger ausschütten. Da die Gesellschaften von Körperschaftssteuer befreit sind, findet die Besteuerung der Erträge auf Anlegerebene statt.
Die Politik hat dieses Thema nicht verstanden und witterte ein Steuervermeidungskonstrukt. Dadurch konnte sich in Deutschland kein REIT-Markt entwickeln und insbesondere angelsächsische Investoren brachten die Wohnungspakete letztendlich an die Börse, wo sie in Form von Immobilienaktien ihren Siegeszug antraten. Dies gilt allerdings nicht für alle Immobilienaktien und REITs gleichermaßen. Viele dieser Unternehmen haben sich auf Teilsegmente im Immobiliensektor spezialisiert, z. B. Shopping-Center, Büros, Gewerbe- und Logistikimmobilien oder eben Wohnungen. Auch sollte man unterscheiden, ob ein Unternehmen als Bestandshalter oder Projektentwickler tätig ist, was ein unterschiedliches Risikoprofil mit sich bringt. Die Covid-19-Pandemie wirbelt auch das Immobilienaktien-/REIT-Segment durcheinander. Während Wohnimmobilienaktien, wie die der Vonovia SE, einen neuen Kursrekord nach dem anderen feiern und mit Leichtigkeit Kapitalerhöhungen durchführen können, darben z. B. Immobilienaktien und REITs mit Schwerpunkt „Shopping-Center“ teils nahe an ihren Allzeittiefs. Die Lockdown-Beschränkungen belasten die Mieter in Shopping-Centern ebenso wie der generelle Trend zum Online-Handel.
Es wird spannend sein zu verfolgen, wie sich der Trend zum Homeoffice weiter entwickelt, denn nicht nur viele Arbeitnehmer haben Geschmack am ruhigen Arbeiten ohne aufwändige und stressige Fahrwege gefunden, auch viele Arbeitgeber kalkulieren schon mit Bürokosteneinsparungen von bis zu 30 %. Ein langfristig angelegtes Investment in Immobilienaktien und REITs lohnt sich also, aber wie immer ist es besser, sich einem aktiven Fondsmanagement anzuvertrauen, das in der Lage ist, ein international breit aufgestelltes und diversifiziertes Portfolio zusammenzustellen. Eine Beimischung von ca. 5–10 % in einer aktienbasierten Asset-Allocation macht hier durchaus Sinn.