Der Motor des Exportweltmeisters Deutschland geriet durch die Covid-19-Pandemie extrem ins Stottern. Die, infolge der Bedrohung durch das neuartige Virus, verursachten weltweiten Lockdowns ließen die Weltwirtschaft und damit auch die deutsche exportlastige Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres so stark abstürzen wie seit dem zweiten Weltkrieg im letzten Jahrhundert nicht mehr. Nun manifestiert sich der erwartete Aufschwung aus dem tiefen Tal der Tränen – die Exporte sind im August mit einem Plus von 4,70 % zum Vormonat das dritte Mal in Folge gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr liegen die Exporte aber immer noch 11,30 % im Hintertreffen. Es ist also noch viel Raum, um verlorenes Terrain aufzuholen. Dies dürfte allerdings erst nächstes Jahr gelingen, wenn nicht sogar erst 2022. Viele Analysten und Volkswirtschaftler sagten vor einigen Monaten eine deutliche Erholung der Wirtschaftstätigkeit voraus. Aber immer unter der Voraussetzung, dass es keine ausgeprägte zweite Infektionswelle mit dem Covid-19-Virus und keine erneuten Lockdowns geben wird. Die zweite Welle deutet sich in vielen europäischen Ländern jedoch nicht nur an, sondern ist voll am Rollen. Spanien und Frankreich weisen mehr bzw. ähnlich hohe Neuansteckungen pro Tag auf als zur Hochphase der Pandemie im März. Einerseits ist dies durch eine deutlich höhere Zahl an Tests erklärbar, was die Lage aber nicht entscheidend entschärft, andererseits aber liegt das Durchschnittsalter weit tiefer als vor einigen Monaten, sodass bei den Krankenhauseinweisungen und Todesfällen noch keine deutlichen Erhöhungen festzustellen sind.
Die Hoffnung, dass sich dieser Umstand nicht nur durch das (unempfindlichere) niedrige Lebensalter der Infizierten erklärt, sondern auch durch die potentielle Möglichkeit, dass sich das Virus etwas abgeschwächt hat, lässt das öffentliche Leben noch weitgehend unberührt verlaufen. Aber auch wenn es keine generellen Lockdowns mehr geben wird, so könnten zu viele regionale Hotspots mit Einschränkungen ebenfalls zu Bremsspuren in der Gesamtwirtschaftsleistung führen. Italien zum Beispiel hat als schwer betroffenes Land immer noch Schwierigkeiten, zur Normalität zurückzugelangen, wie die um 2,2 % gesunkenen Einzelhandelsumsätze im Juli beweisen. Die vielen positiven Meldungen aus der Impfstoffforschung führen jedoch regelmäßig zu aufflackerndem Optimismus an den Weltbörsen. Flankiert von dem Versprechen vieler Zentralbanken, ihre expansive Geldpolitik beizubehalten, haben viele Aktienindizes nicht nur die Verluste im März aufgeholt, sondern neue Rekordstände markiert. Aber vor allem getragen durch wenige große Werte, z. B. aus der Technologiebranche.
Herausforderungen stellen dabei die aktuellen Bewertungen dar, die zum Beispiel im Technologie-Sektor relativ hohe Kennzahlen erreicht haben. Kurs-Gewinn-Verhältnisse über 30 sind keine Seltenheit, was bei einem historischen Durchschnitt beim S&P-500-Index von ca. 16 so teuer ist, dass größere Kurs-Korrekturen niemanden überraschen würden. Zumal diverse geopolitische oder politische Problemfelder von den Marktakteuren in den letzten Monaten weitgehend ignoriert wurden. Scharmützel im chinesisch-indischen Himalaja-Grenzgebiet lassen Investoren genauso unbeeindruckt wie das Säbelrasseln des türkischen Präsidenten Erdogan, der allen Ernstes seinem Nato-Partner (!) Griechenland nicht nur wegen der Ausbeutung potentieller Gasvorkommen, sondern vor allem wegen obskurer Gebietsansprüche im Mittelmeer mit kriegerischen Auseinandersetzungen droht. Auch der Versuch des britischen Premiers Johnson, auf Trump’schen Polter- bzw. Erpressungspfaden zu wandeln, lässt die Aktienmärkte (noch) kalt. Die Tatsache, dass London offen zugibt, mit seinen neuen gesetzgeberischen Initiativen bestehende Übereinkünfte mit der EU einfach brechen zu wollen, lässt die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns der Gespräche stark anwachsen.
Ein harter „No-Deal-Brexit“ würde die angeschlagene europäische, aber vor allem auch die britische Wirtschaft in ihrer Erholungsphase empfindlich beeinträchtigen. Basis für den Optimismus der letzten Monate an den Aktienmärkten bildet also einerseits die Hoffnung auf Impfstoffe und wirksame Medikamente gegen das Covid-19-Virus und andererseits auf Einigungen „in letzter Minute“ auf den Brexit- und sonstigen Konfliktfeldern. Größere Enttäuschungen auf diesen Gebieten hätten unweigerliche empfindliche Kurskorrekturen an den Aktienmärkten zur Folge.