Manchmal haben kleine Zahlen eine große Wirkung. In diesem Falle 0,1%. Dabei handelt es sich um die Differenz zu den ersten vorläufigen Zahlen des BIP-Wachstums im zweiten Quartal, welche zunächst mit 1,5% beziffert wurde. Nun wurde die endgültige BIP-Zahl mit +1,6% errechnet und dies trug zu einer sehr viel optimistischeren Stimmung am deutschen Aktienmarkt bei. Nun ja, im Jahresvergleich verdoppelt sich die Verbesserung sogar, denn im Vergleich zum Vorjahr verbesserte sich die Wirtschaftsleistung von ursprünglich gedachten 9,2% auf 9,4%, also +0,2%. Hinzu kamen zum ersten Mal seit Wochen Meldungen aus China, die konjunkturstützende Maßnahmen anstatt weitere Regulierungsschritte großer Tech-Unternehmen zum Inhalt hatten. Interessanterweise führen andere Wirtschaftsdaten, wie sich leicht abschwächende Einkaufsmanagerindizes, die eine beginnende Wachstumsverlangsamung der Weltwirtschaft anzeigen, ebenfalls zu einer Stärkung des Optimismus an den Finanzmärkten. Denn durch die sich abzeichnende Verlangsamung des Wirtschaftswachstums sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Zentralbank Fed (Federal Reserve Board) früher als erwartet an der geldpolitischen Schraube dreht und den seit Jahren die Märkte stützenden Geldstrom kleiner werden lässt. An diesem Wochenende findet in Jackson Hole das jährliche Treffen der internationalen Zentralbanken statt. Aufgrund der sich wieder verschärfenden Covid-19-Lage erneut als virtuelle Veranstaltung und nicht wie geplant als Präsenz-Meeting. Hier wird der Rede des Fed-Präsidenten Jerome Powell seit Wochen mit Spannung entgegengefiebert, da die Marktakteure von dieser Rede erste Anzeichen der künftigen Fed-Politik erwarten. Allerdings sieht man inzwischen seinen Ausführungen eher mit Gelassenheit entgegen, denn aufgrund diverser vorheriger Äußerungen scheint Powell sich in Jackson Hole noch nicht festlegen zu wollen. Erst im Herbst will er verkünden, wie sich die Fed positionieren wird.
Die alles entscheidende Frage wird dabei sein, ob die derzeit sehr hohen Inflationsraten wirklich nur aufgrund mehrerer Basiseffekte und vorübergehender Liefer- und Logistikengpässe entstanden sind und somit bald wieder zurückgehen. Sollte dagegen von einem langfristigen Inflationsdruck auszugehen sein, müsste die Fed geldpolitisch irgendwann gegenhalten. Die Finanzmärkte fürchten jedenfalls, dass die geldpolitischen Maßnahmen zu schnell und zu stark ausfallen könnten. Eigentlich ist das ja ein gutes Zeichen, weil in so einem Szenario sowohl die Konjunktur als auch die Unternehmensgewinne brummen. Aber Aktienmärkte schauen immer weit in die Zukunft und Zinserhöhungen einer Zentralbank sind da nicht gerne gesehen, da sie tendenziell die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen verteuern.
Diese Woche konnte sich das Thema etwas beruhigen, was die Aktienmärkte unterstützt hat. Die ausgeprägte Seitwärtsbewegung des deutschen Leitindex DAX scheint sich fortzusetzen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank zum zweiten Mal in Folge, was die Abschwächungstendenzen der Wirtschaft in Deutschland dokumentiert. Die Entwicklung in den nächsten Wochen bleibt daher noch etwas unklar. Im September und Oktober sprechen saisonale Gründe eher für schwierigere Marktverhältnisse. Die Politik der Zentralbanken wird so bei der Frage nach einer möglichen Jahresendrally wohl die entscheidende Rolle spielen.